Dieser völlig wahnsinnige Haufen fährt ein einmaliges unkommerzielles Konzept: Die meisten Auftritte der Band werden mitgeschnitten und auf der Homepage www.trigon.in zum kompletten Download angeboten (was auch für die meisten Studioalben sowie zahllose Sessions gilt). Das macht in musikalischer Hinsicht auch Sinn, da trotz einer gewissen Dichte an feststehenden Songgerüsten und Themen jeder Song bei jedem Gig durch mal mehr, mal weniger ausführliche Improvisationen sein eigenes Gesicht erhält. Das erhält einerseits den Charakter als reproduzierbares Werk, andererseits aber auch die Spannung, was denn nun an bestimmten Stellen, die man bereits von anderen Versionen her kennt, diesmal passiert. Natürlich kann man ein solches Konzept nicht mit jeder Sorte Musik verwirklichen, das ist klar (ein analoges Vorgehen von sagen wir mal den Backstreet Boys, Heino oder Napalm Death würde dem potentiellen Hörer die Sinnfrage vors Auge stellen), und das wissen Trigon natürlich auch. Deshalb spielen sie irgend so etwas Ähnliches wie (bis auf seltene Gastsangesbeiträge, die auf den beiden hier Rezensionten CDs aber nicht zu hören sind) rein instrumentalen Jazzrock, wobei sich der Jazz eher in seinen gemäßigten Formen präsentiert (also kein "Jeder gegen jeden"-Spiel der Marke Freejazz) und gegenüber den rockenden Aspekten in der Unterzahl bleibt, wobei allerdings auch die rockenden Aspekte selbst in einem Song mit dem Titel "Ein kleines brachiales Meisterwerk" keine neuen Brachialitätsrekorde aufstellen, sondern deutlich dem Siebziger-Gestus verhaftet bleiben und zudem meist in relativ getragenem Tempo daherkommen, was dem unaufmerksamen Zuhörer ohne die visuelle Unterstützung möglicherweise den Terminus "langweilig" ins Hirn projizieren könnte. Bei genauerer Betrachtung eröffnet sich allerdings ein Universum von Klangmöglichkeiten, das wie beschrieben bei jedem Gig etwas diversifiziert wird und gelegentlich noch durch den einen oder anderen Gastmusiker eine Bereicherung erfährt. Beim Gig auf dem Burg Herzberg-Festival im Juli 2004 war das Nick Lieto von der mir ansonsten nicht geläufigen Truppe Frogg Café, der in "Coitus Trigonus Continuum" und "Aural-Verkehr in Frickelposition" Trompeten- und Flügelhornklänge einwirft und das so schon nicht gerade eindimensionale Klanguniversum Trigons noch eindrucksvoll ausdehnt. Die wohl wichtigste musikalische Erweiterung bei Trigon hat aber schon vor etlicher Zeit stattgefunden, und zwar mit der Hinzunahme des Keyboarders Udo Gerhards, der zwar kein offizielles Bandmitglied zu sein scheint, aber zumindest zur festen Livemannschaft gehört und dessen Beiträge den Trigonschen Instrumentalrock so weit diversifizieren, daß auch die oben erwähnten unaufmerksamen Nörgler verstummen müßten. Man nehme sich einfach mal die Herzberg-CD her und lausche seiner ekstatischen Pianoarbeit in "Peitscht das Kamel". Im Gegensatz zu den gängigen 70er-Improvisatoren bleiben die Songs von Trigon aber meist im zeitlichen Rahmen. Halbstündige "Wring That Neck"-Elogen Marke Deep Purple oder Dreiviertelstundenjams der Bauart Grateful Dead gibt es hier nicht - "Hummelflug" (nein, nicht der von Rimski-Korsakow, aber mit schönen flötenartigen Keyboards ausgestattet) ist mit 3:03 min der kürzeste Track, "Coitus Trigonus Continuum" steht mit 7:05 min am anderen Ende der Skala. Die "Herzberg 2004"-CD (im Booklet ist vermerkt: "Dies ist die 26. CD der Kamasutra Bunker Records") bildet in der damals offenbar ebendiese Zahl aufweisenden Diskographie Trigons übrigens insofern eine Ausnahme, als es sie als "richtige" gepreßte CD mit Farbbooklet zu erstehen gibt. Macht ja auch Sinn - wenn man mal eine Trigon-CD an einen Nicht-Die Hard-Undergroundfreak verschenken und dabei ein "nobles" Bild wahren möchte, sollte man vermutlich eher nicht mit einer selbstgebrannten Scheibe anrücken, sondern lieber mit dieser professionell aussehenden, die zudem noch ein hübsch psychedelisch-buntes Cover besitzt und auch von der Akustik her (bis auf die manchmal bissel schwer zu verstehenden Ansagen und die Tatsache, daß es natürlich generell schwerfällt, den Soundwall eines Livegigs dieser Art in die heimischen vier Wände zu transportieren) keine Wünsche offen läßt. Keine Wünsche bleiben auch bei den Songtiteln offen (da kann man ja als nicht textgebundene Band schön kreativ sein): Die Anspielung von "Verbiegt die Kontrollen zum Herzen der Sonne" versteht der Experte sicherlich noch problemlos, aber wie man auf Titel wie "Archaische Extasetechniken", "You do fräsend" oder den Oberbrüller "Wenn wir dich rauchen, schreien wir" kommt, kann nur mit einer gewissen Überdosis an bunter Ausmalkraft erklärt werden (als nächste Songs wünsche ich mir "Pommesbudenbesitzer mit Vorliebe für Oralsex", "Apokryphe Termini", "Ich reit' Kometen, mein Weg ist lang und schwer" und "Geschlechtsdimorphismus von Oryctolagus cuniculus").
Rezension-Quelle: German Underground Crossection |